Wer überholt, ohne die Verkehrslage hinreichend zu beachten, trägt einen Teil seines eigenen Schadens. Das gilt auch, wenn der Unfall eigentlich auf das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zurückzuführen ist.
Das musste sich ein Motorradfahrer vor dem Amtsgericht (AG) München sagen lassen. Er hatte an einer Kreuzung die dort wartenden und aufgrund eines vorangegangenen Rotlichts gerade anfahrenden Autos überholt. Der spätere Beklagte war auf der gleichen Straße mit seinem Auto in der Gegenrichtung unterwegs. Er war auf der Suche nach einem Parkplatz und entdeckte einen solchen vor einer Bäckerei auf der gegenüberliegenden Seite. Er bremste, leitete ein Wendemanöver ein, um sich den Parkplatz zu sichern. Dabei prallte er mit dem Motorradfahrer zusammen. Dieser erlitt Prellungen, Schürfwunden und verletzte sich am linken Daumen. Seine Motorradkleidung wurde durch den Sturz unbrauchbar. Der Motorradfahrer verlangte insgesamt 6.500 EUR Schadenersatz. Die Versicherung des Unfallverursachers bezahlte allerdings nur 3.500 EUR. Von dem verlangten Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR erhielt er nur 400 EUR. Schließlich – so die Versicherung – habe der Motorradfahrer an der Ampelanlage stark beschleunigt und überholt, deshalb treffe ihn ein erhebliches Mitverschulden.
Auch vor dem AG bekam der Motorradfahrer nicht den vollen verlangten Betrag zugesprochen. Die zuständige Richterin sah ebenfalls ein Mitverschulden und schätzte dies auf 25 Prozent. Zwar habe der Unfallverursacher ein Wendemanöver eingeleitet und damit den Unfall verursacht. Der Motorradfahrer sei aber mit seinem Motorrad im Straßenverkehr unterwegs gewesen. Die allein schon dadurch entstehende Mithaftung aufgrund der Betriebsgefahr, die von dem Motorrad ausgehe, trete nicht aufgrund des Verhaltens des Unfallverursachers zurück. Zwar sei die Geschwindigkeit nur unwesentlich über dem Erlaubten gewesen, als der Motorradfahrer an der Kreuzung überholte. Allerdings sei es zu diesem Zeitpunkt noch finster gewesen. Zudem habe der Motorradfahrer sein Überholmanöver durchgeführt, ohne die Verkehrslage jenseits der Kreuzung ausreichend sehen zu können. Damit habe er nur einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 75 Prozent. Dies bedeute noch ein Anspruch in Höhe von 1.300 EUR für den Sachschaden. Als Schmerzensgeld sah die Richterin bei den vorliegenden Verletzungen 750 EUR für angemessen an (AG München, 345 C 27884/05, rkr.).