Stürzt eine Radfahrerin gegen 7.20 Uhr an einem Werktag im Zentrum einer kleineren Gemeinde bei Eisglätte auf einem ungestreuten Radweg, haftet die Gemeinde wegen einer Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht. Allerdings trifft die Radfahrerin ein hälftiges Mitverschulden.
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. Geklagt hatte eine Frau, die im Dezember 2008 um 7:20 Uhr an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt ihres Wohnorts mit dem Fahrrad gestürzt war, als sie ihren Sohn zur Schule begleitet hatte. Das Glatteis hatte sich in der zweiten Nachthälfte gebildet, als die Temperaturen plötzlich auf -1° C gesunken waren. Die Frau verlangte von der Gemeinde Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Gemeinde hatte sich auf ihre Satzung berufen und die Auffassung vertreten, sie sei erst ab 7:30 Uhr zum Streuen verpflichtet gewesen. Außerdem bestehe eine Streupflicht für Radwege nur an „gefährlichen“ Stellen.
Die Richter entschieden, dass auf Radwegen zwar keine generelle Streupflicht für eine Gemeinde bestehe. Etwas anderes gelte aber für wichtige und gefährliche Fahrbahnstellen. Dazu zähle der zentrale Verkehrsknotenpunkt der betroffenen Gemeinde, an dem die Klägerin mit dem Fahrrad gestürzt war. Die Streupflicht bestehe auch bereits vor 7:30 Uhr. Die Gemeindesatzung entbinde die Gemeinde nicht von ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Da Schulbeginn in der betreffenden Gemeinde schon um 7:30 Uhr sei und ortsansässige Discounter schon um 7:00 Uhr geöffnet hätten, müsse der Bürger nicht damit rechnen, dass zentrale Verkehrswege erst um 7:30 Uhr gestreut seien. Das OLG stellte aber auch fest, dass die Radfahrerin ihrerseits die Pflicht zur gesteigerten Aufmerksamkeit hatte. Da die Straßenglätte für sie erkennbar gewesen sei, treffe sie ein 50-prozentiges Mitverschulden. Dies führe zu einer hälftigen Reduzierung ihrer Ansprüche (OLG Oldenburg, 6 U 30/10).